Philippsburg 1737

Aus der Geschichte der Stadt und
ehemaligen Reichsfestung Philippsbur
g

Philippsburg liegt im Niederungsgebiet des Rheins auf 102 m Meereshöhe und ist als "Huitenheim" im Codex laurenshamensis im Jahre 784 n. Chr. erstmals urkundlich erwähnt. Der Name "Udenheim" erscheint dann in einer Urkunde aus dem Jahre 1191, in welcher die Gräfin Uta aus dem Geschlecht der Gaugrafen von Sinsheim als Besitzerin der Burg Udenheim mit dem diese umgebenden Gütern genannt wird. Die Gräfin Uta könnte mit der Namensgebung für Burg und Siedlung Udenheim in Verbindung gebracht werden. Häufigere Fundstücke von römischen Münzen sprechen aber dafür, dass die Siedlung viel älter ist und ihre Entstehung einer Tiefburg verdankt, welche von den Römern im dritten Jahrhundert n. Chr. angelegt wurde. Schon im 8. und 9. Jahrhundert bestanden hier eine von Mönchen des Klosters Lorsch gegründete Kirche, eine Burg und drei Ritterhöfe. Im Jahre 1308, über 100 Jahre nach der Gräfin Uta, werden zwei Bürger aus Speyer, Heinrich von Cöln und Engelmann von Bebingen, als Eigentümer der Güter urkundlich erwähnt. Als Folge eines Streits zwischen Ludwig dem Bayer und Friedrich von Österreich um die deutsche Krone wurden die rechtsrheinischen Besitzungen des Bischofs von Speyer, der ein Parteigänger Ludwigs war, von den Heeren des Österreichers im Jahre 1314 furchtbar verwüstet. Heinrich von Cöln verkaufte deshalb im Jahre 1316 seinen ganzen Udenheimer Besitz an den Speyerer Bischof Emich von Leiningen unter der Bedingung, dass die Rechte der Bürger, besonders die Befreiung von der Leibeigenschaft, gewährleistet bleiben. Durch diesen Kaufbrief vom 1. Februar 1316 kam Udenheim an das Hochstift Speyer, bei dem es bis zum Übergang an das Großherzogtum Baden im Jahre 1802 verblieb.

Dankbar dem Bischof gab Kaiser Ludwig dem Dorf Udenheim weitere Privilegien, löste es 1336 vom Reichsverband los und übertrug die ihm zustehenden Rechte auf den Bischof von Speyer. Mit Urkunde vom 12. November 1338 stattete der Kaiser das Dorf Udenheim mit S t a d t-  u n d  M a r k t r e c h t e n aus, "wie solche unser und des Reiches Stadt Landauwe hat".

Bischof Gerhard von Ehrenberg ließ die junge Stadt durch Mauern und Türme befestigen und sicherte den Bewohnern der umliegenden Dörfer in Kriegszeiten vertraglich Asylrecht zu gegen Entrichtung eines "Wachtgeldes", das bis ins 18.  Jahrhundert hinein erhoben wurde. Der Speyerer Fürstbischof Adolf von Nassau verlegte 1371 seine Residenz von Speyer, wegen ständiger Streitigkeiten mit dieser freien Reichsstadt, in das aus der ehemaligen Burg entstandene Schloss Udenheim.  Unter Bischof Raban von Helmstadt verlieh Kaiser Ruprecht der fürstbischöflichen Residenz Udenheim am 1. 9. 1402 ein weiteres Marktrecht mit der Zusicherung freien Geleits für die Marktbesucher. Die bischöfliche Kanzlei und das höchste und einzige weltliche Collegialgericht des Speyerer Landes erhielten Sitz in Udenheim und damit auch der erste Justiz- und Verwaltungsbeamte der "Landfaut vom Bruhrain".

Damit war Udenheim die wichtigste Stadt des Hochstifts Speyer geworden. 
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In zwei Jahrhunderten, nur unterbrochen von den Stürmen des Bauernkriegs, folgte dann unter dem Regime verschiedener Fürstbischöfe eine ruhige und stetige Aufwärtsentwicklung, bis die viel umstrittene Persönlichkeit des Fürstbischofs Philipp von Sötern einen neuen Abschnitt in der Geschichte Udenheims einleitete. Bisher als friedliche Residenz unter dem milden Zepter seiner Fürstbischöfe emporgeblüht, wird Udenheim zur Festung umgewandelt und erhielt durch Philipp von Sötern am 1. Mai 1623 seinen heutigen Namen "Philippsburg". In seinem Roman "Am Ausgang des Reichs", welcher ausschließlich in Philippsburg und Schwetzingen, dem kurpfälzischen Hof Carl Theodors, spielt, schreibt hierzu Wilhelm Jensen u. a.:

                                         ”Das u n s e l i g e Philippsburg !“

Um anderthalb Jahrhunderte später sagte der Chronist bei der Beschreibung der Freudenfeier dieses Namensfestes:

"Man ahnte nicht, welch langjähriges und vielfaches Unheil, welchen schweren Hader und Fluch diese Festung über ihre Umgegend und das ganze Hochstift Speyer bringen werde." Während beinahe zweier Jahrhunderte steht die Stadt im Brennpunkt der europäischen Geschichte. Philippsburg wird 1697 Reichsfestung; seine strategische Bedeutung war derart wichtig, dass der französische General Turenne sagte: "Der Besitz von Philippsburg ist uns soviel wert, wie eine französische Provinz." Die kriegerischen Auseinandersetzungen im 30jährigen Krieg sahen vor ihren Mauern die Heere der Schweden und Franzosen und nach unglücklichen Kriegen, besonders nach dem westfälischen Frieden 1648, erhielt die Festung Jahrzehnte lang französische Besatzung. Schlimme und schwere Zeiten für Stadt und Bewohner, was auch Grimmelshausens "Simplicius Simplicissimus" am eigenen Leib erfahren musste, wenn er die Schilderung des damaligen Zustandes in der hiesigen Garnison in seinem bekannten Zeitbild mit folgenden Worten beginnt: "Also kam ich vom Gaul auf den Esel, musste Musketier werden wider Willen; das kam mich blutsauer an, weil der Schmalhans dort herrschte und das Kommissbrot daselbst erschrecklich klein war."

Gegen Ende des 17. Jahrhunderts waren es der Holländische und der Orleans'sche Krieg, welche der Festung und damit ihren Bewohnern böse Zeiten brachten. Auch im Spanischen- (bis 1714), im Polnischen- (bis 1736) und im Österreichischen- (bis 1744) Erbfolgekrieg war die Festung Gegenstand schwerer Kämpfe. Berühmte Festungsbauer und Heerführer, Grafen, Herzöge, Prinzen und wiederholt der französische Dauphin, Schweden, Österreicher, Franzosen, Tiroler, Niederländer, Slavonen und Ungarn lagen zu allen Zeiten vor und in Philippsburg.

Die Verpflegung des französischen Heeres im Siebenjährigen Krieg (1756 bis 1763) brachte den Einwohnern von Philippsburg und des Hochstifts Speyer weitere schwere Lasten, bis dann die Armee Bonapartes 1799 endgültig das Schicksal der Festung besiegelte. Eine vom 6. bis 12. September 1799 dauernde Bombardierung endete mit der fast totalen Zerstörung der Stadt; nur 13 Gebäude haben beschädigt überstanden. Und trotzdem konnte der letzte deutsche Verteidiger der Stadt, Rheingraf Carl August von Salm, welcher hier beerdigt ist, in einem Hilfeaufruf für den Wiederaufbau u. a. schreiben: "Kein einziger Bürger, keine Bürgerin, ja nicht einmal ihre Kinder haben vor, während oder nach dem schrecklichen Brand um Übergabe der Stadt gebeten, sondern dieses große Opfer von Hab und Gut, Leib und Leben für das Wohl des Vaterlandes gebracht." Aus diesem Geiste heraus war es auch zu verstehen, dass die Philippsburger das Angebot ihres Fürstbischofs Wilderich "die neue Stadt außerhalb des ungesunden Flecks, wo die alte liegt" aufzubauen, ablehnten. Mit der von Bonaparte angeordneten Schleifung der Festungswerke hatte die Stadt ihre militärische Rolle am Rhein ausgespielt. Die Einebnung der Festung, welche den Einwohnern Jahrhunderte lang Krieg, Not, Elend, die Pest, Ruhr und Wechselfieber gebracht hatte, wurde von diesen so gründlich durchgeführt, dass heute kaum noch etwas an die Festung erinnert, es sei denn die Straßenbezeichnungen, deren historische Namen der Geschichte Philippsburgs entnommen sind. Nur ständige Funde bei Grabungen im Gelände, hauptsächlich runde, eiserne Kanonenkugeln und ab und zu das Skelett eines unbekannten Soldaten, erinnern an unsere traurige Vergangenheit.  Die Festungssteine lieferten das Baumaterial für den Wiederaufbau, und die letzten Reste der Festung wurden 1811 beseitigt. Philippsburg hat bauliche Erinnerungsstücke an Schloss und Festung leider nicht mehr, dafür aber ein sehr reiches Archiv interessanter und wertvoller Urkunden, Gedenkmünzen, Pläne und Ansichten der Festung aus allen Zeitabschnitten und eine der wertvollsten und interessantesten Stadtgeschichten - Nopp: "Geschichte der Stadt und ehem. Reichsfestung Philippsburg." Diesem Werk sind die hier aufgeführten Daten in der Hauptsache entnommen.                    
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Im Jahre 1802 erfolgte der Übergang an Baden und damit begann ein neuer Abschnitt in der Geschichte unserer Stadt. Mit dem Ende ihrer ruhmreichen Vergangenheit hat diese neben ihrem Ansehen auch einen großen Teil ihrer Erwerbsquellen und ihres Wohlstandes eingebüßt. In Anerkennung ihrer Jahrhunderte langen Bedeutung als Residenz, Festung, Amtsstadt und Münzstätte des Hochstifts Speyer beließ die Großherzogliche Regierung der Stadt das Bezirksamt und das Amtsgericht. Im Zuge einer Verwaltungsvereinfachung wurde das Bezirksamt Philippsburg auf 1. Oktober 1864 aufgehoben und mit Bruchsal vereinigt. Am 1. Mai 1872 traf das Amtsgericht das gleiche Schicksal, wurde jedoch bereits am 1. Mai 1884 wieder errichtet und besteht heute noch.

Schlacht bei Waghäusel am 21.  Juni 1849



In den Revolutionsjahren 1848/49 war Philipps-
burg die Zentrale der Freiheitsbestrebungen
im Bruhrain und ein Großteil fortschrittlich ge-
sinnter Männer begeisterte sich für die Ideen der
Freiheit. Es war ein Philippsburger, der 1848 zum
Wahlmann für die Wahl der Mitglieder zur Natio-
nalversammlung in Frankfurt für den Amtsbezirk
Philippsburg gewählt wurde und im Landesaus-
schuss war Philippsburg auch durch einen seiner
Bürger vertreten. Diese Aktivität unserer Vorfah-
ren war vermutlich mit die Ursache der Aufhe-
bung des Bezirksamts Philippsburg, bestimmt
aber jener Auswanderungswelle, welche damals beinahe 100 Familien über den Ozean nach USA führte.

Die Rheinkorrektion durch Johann Gottfried Tulla in den Jahren 1837 bis 1844 brachte der Stadt einen bedeutenden Gemarkungszuwachs zu Lasten der linksrheinischen Gemeinde Mechtersheim, die ca. 600 ha große Rheinschanzinsel; aber dafür liegt Philippsburg heute am "Philippsburger Altrhein" etwa 3 km vom Rheinstrom entfernt.  Durch den Bau der Bahnstrecke München-Saarbrücken in den 70er Jahren - früher die schnellste Strecke zwischen diesen Punkten und heute unterbrochen durch die zerstörte Eisenbahnbrücke bei Germersheim - wurde Philippsburg Bahnstation. Diese heute noch fehlende Rheinbrücke hat unsere früher lebhaften Beziehungen zur nahen Pfalz empfindlich gestört.

Philippsburg hat heute den Charakter eines kleinen, sauberen und ansprechenden Landstädtchens und ist mit seinen Behörden (Amtsgericht, Notariat, Forstamt, Großraumposten der Landespolizei usw.), der Bezirksgewerbeschule, zweier Geld- institute, beachtlichen Industriebetrieben, einem gesunden Handwerkerstand, einem sehr regen Vereinsleben, seiner lebhaften aufgeschlossenen Bevölkerung und einem zünftigen Fasching immer noch die Vorortgemeinde des Bruhrains, wenn es auch von einzelnen Nachbargemeinden an Einwohnerzahl überholt wurde. Wir sind überzeugt, dass die Bundeswehrangehörigen sich in Philippsburg wohl fühlen und "unsere Soldaten" werden. Im übrigen liegt Philippsburg verkehrsmäßig immerhin so günstig, dass die Städte Mannheim und Karlsruhe mit vielen interessanten Sehenswürdigkeiten, Heidelberg von kaum zu überbietender Schönheit, Bruchsal mit seinem Rokokoschloss, der berühmte Schlosspark in Schwetzingen, der Kaiserdom in Speyer, die nahe Pfalz, der Schwarzwald und der Odenwald jederzeit - auch an einem Sonntagsurlaub - zu erreichen sind.

Braun
S
tadtamtmann

                                                                                                       nach oben

 

Philippsburger finanzieren ihre eigene Belagerung

Prinz Eugen von Savoyen und Friedrich der Große (der "Alte Fritz")
vor Philippsburg
 

Von vielen Belagerungen der Festung Philippsburg war eine der denk­ und merkwürdigsten diejenige von 1734 im Polnischen Erbfolgekrieg. Der plötzliche Vorstoß der Franzosen auf dem linken Rheinufer und der Übergang über den Rhein südlich und nördlich von Philippsburg veranlassten den deutschen Heerführer Prinz Eugen von Savoyen, seine Truppen von Philippsburg nach Heilbronn zurückzuziehen, weil er sich dem französischen Heer unterlegen fühlte. Dadurch kam der “Kaiserliche Festungskom- mandant”, Feldmarschall-Leutenant Gottfried Ernst Freiherr von Wutgenau, in arge

Reiter vor Philippsburg

Bedrängnis, denn die Kaiserlichen hatten versäumt, dem Kommandanten den Sold für die Festungsbesatzung zu übergeben. Dieser bat in seiner Not die Stadt am 28. Mai, ihm zur Löhnung der Besatzung 3000 Gulden zu leihen, um Plünderungen und Ausschreitungen zu vermeiden. Er garan- tierte durch persönliche Bürgschaft die Rückzahlung durch die kaiserliche Kasse. Die Stadt, selbst mit leerer Kasse, beschaffte das Geld durch Zeichnungen ihrer Bürger; die Namen der Zeichner in Teilbeträgen von 5 bis 300 Gulden, sind heute noch in einem Protokollbuch des Stadtarchivs nachzulesen. Die Besatzung konnte zufrieden gestellt werden und die Rückzahlung der Anleihe erfolgte am 28. August 1734.

Die Franzosen hatten inzwischen die Festung auch auf der rechten Rheinseite eingeschlossen und begannen linksrheinisch mit ihrem Angriff auf die Rheinschanze unter dem Kommando des berühmten französischen Heerführers Herzog Jakob Fritz-James von Berwick, Marschall von Frankreich, einem Sohn des vertriebenen Königs Jakob II. von England. Die Belagerung wurde durch Hochwasser des Rheins sehr erschwert und zur Aufmunterung der Truppen begab sich Marsschall von Berwick am 12. Juni zwischen 8 und 9 Uhr in die vorderen Laufgräben. Als eine in seiner unmittelbaren Nähe in den Morast einschlagende Kanonenkugel ihn beschmutzte und er noch mit der Reinigung seiner Uniform beschäftigt war, riss ihm eine zweite Kugel den Kopf ab. Sein Leichnam wurde nach Straßburg überführt. Zur Erinnerung an dieses Ereignis hat Philippsburg heute noch eine Berwickstraße und dem Schreiber dieser Zeilen teilte General Larminat, der französische Bevollmächtigte für Denkmäler der Kriege und Widerstandskämpfer, vor kurzem mit, dass die französische Regierung an der Stelle des Todes von Marschall Berwick ein Ehrenmal errichten will.                        
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Gegen Ende Juni war dann das Entsatzheer unter dem Kommando des Prinzen Eugen von Savoyen vor Philippsburg eingetroffen und bezog Lager bei Wiesental, einen Kanonenschuss von den Belagerern entfernt. Am 7. Juli traf auch Kronprinz Friedrich von Preußen, später König Friedrich der Große (der "Alte Fritz"), mit seinem Gefolge im Lager ein. Er gab hier schon Proben seiner kriegerischen Fähigkeiten und erhielt seine Feuertaufe bei einer Frontbesichtigung im Philippsburger Wald. Auch sein Vater, König Friedrich Wilhelm I. von Preußen, besuchte das Feldlager und als Prinz Eugen dem König eine große militärische Laufbahn seines Sohnes voraussagte, war dies der Anlass zur Bereinigung des gespannten Verhältnisses zwischen Vater und Sohn.

Leider hatte der alte Haudegen Prinz Eugen, der Sieger von Senta und Schrecken der Türken, vor Philippsburg kein Kriegsglück. Der Kommandant der Festung, von Wutgenau, musste am 18. Juli die weiße Flagge hissen und damit kam die Festung zum vierten Mal unter französische Herrschaft.

Franz Herd

Vorstehende Beiträge sind entnommen der Broschüre
Deine Garnison
Stadt und ehemalige Reichsfestung Philippsburg

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